EIN ARCHIV PERSÖNLICHER ERINNERUNGEN
KÜNSTLERINNEN STELLEN NEUES PROJEKT VOR - ZEITZEUGEN BERICHTEN ÜBER IHRE ERLEBNISSE IN KÖLN
"Es war 1945. Ich war aus der Gefangenschaft geflohen, und mit vier Familien lebten wir im Keller unseres zerstörten Hauses in Poll", berichtet Heinrich Effers (85). "Die Deckenbalken waren eingerissen, und wir hatten Angst, alles könnte über uns zusammenbrechen. Aber wir waren froh, dass wir uns hatten", ergänzt seine Frau Hanna (83). Das Ehepaar gehört zu den Zeitzeugen, die beim Internet-Projekt "Kölner Stattarchiv" teilnehmen.
"Mit dem Einsturz des Historischen Stadtarchivs im März ist viel kollektive Erinnerung verloren gegangen", sagt Alida Pisu, Autorin und eine der ehrenamtlichen Initiatorinnen des Projekts. "Wir standen fassungslos vor der Grube in der Severinstraße und wussten, dass vieles unwiderruflich weg ist. Deshalb wollen wir jetzt ein Zeichen setzen", so Pisu weiter. "Bei unserem Archiv, das wir erstellen wollen, erzählen nun Kölner ihre persönlichen Erinnerungen an die Stadt. Das können Erlebnisse von Trümmerfrauen, solche an das eigene Geburtshaus oder auch Erlebnisse von Immigranten sein", erklärt Künstlerin und Co-Initiatorin Katja Egler Streil.
Die Berichte sind dann später als Videos auf der Internetseite zu sehen, nach Themen geordnet und sollen für alle zugänglich gemacht werden. Darüber, dass Erinnerungen auch mit der Zeit verblassen oder positiver gesehen werden können, sind sich beide Künstlerinnen bewusst: "Jede Erinnerung eines Zeitzeugen hat seine Berechtigung. Es gibt so viele Sichtweisen. Wir haben nicht vor, jemanden zu zensieren." Pisu und Egler Streil haben vielmehr ein anderes Anliegen. "Wichtig ist, aus der Geschichte zu lernen und Erfahrungen weiterzugeben." In einem weiteren Schritt seien auch interdisziplinäre Arbeiten wie Skulpturen oder Gemälde verschiedener Künstler zu den Erinnerungen denkbar. Wer als Zeitzeuge beim Kölner Stattarchiv teilnehmen möchte, meldet sich per E-Mail. An den Start gehen soll die Internetseite Anfang September.
Kölnische Rundschau - Nadin Hüdaverdi